Neugierig auf Medienkunst. Montagsvorträge und Seminare in der bildo Akademie.
Til Radevagen, 1993
Die Vortragsreihe "bildo Montagsvorträge", anfangs wöchentlich durchgeführt, stellte Positionen jener wissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen zur öffentlichen Diskussion, die mit den sog. neuen Medien Berührungspunkte hatten und befasst waren.
Teilweise waren die Vortragenden die Lehrenden selbst, teilweise waren es Gäste und Freunde der bildo akademie.
Die Montagsvorträge erfreuten sich regen Interesses der Berliner, aber auch überregionaler Besucher/innen.
Da die Organisation oftmals das Budget einer kleinen Akademie überschritten, wurden die Montagsvorträge ab den 90er Jahren zwei- bis dreimal pro Semester angeboten.
Vortragende Gäste waren z.B. Helmut Höge, Dietmar Kamper, Ulrike Grossarth, Barbara Sichtermann, Hanne Loreck, Friedrich Kittler . . .
Seit 1989 dokumentierten ambitionierte Studierende die Veranstaltungen auf Video. Hier sind für Kamera- und Tonaufnahmen insbesondere Wolf Gresenz, Fabian Grobe, Thomas Kemnitz, Claudius Lazzeroni, Frank Paul und Jochen Vestner zu nennen. Diese Kategorie zeigt eine Auswahl der dokumentierten Vorträge, eine vollständige Liste der bildo Montagsvorträge ist dem oben stehenden PDF zu entnehmen.
12.12.1988
Lecture-Performance von Thomas Seelig
Musikwissenschaftler, Berlin
Der Computer als audiovisuelle Maschine zur gleichzeitigen Bild- und Tonerzeugung ist das Thema.
22.5.1989
Prof. Vilém Flusser, Kommunikationsphilosoph
Flusser erklärt in einem seiner letzten Vorträge das Zeitalter der Vernunft und des Humanismus für gescheitert. Parallel zu diesem Scheitern setzt die Entwicklung der Computer ein, einer Technik, die die menschlichen Möglichkeiten übertrifft. Damit existieren statt einer viele Welten; wir sind Knoten und Projektionen im Verhältnis zu anderen und zu den Maschinen. »Vom Subjekt zum Projekt«, lautet Flussers Vorschlag.
15.11.1990
Lucy Hillebrand, Architektin, Göttingen
Vortrag und Gespräch über zeichnerische Übungen von/mit Lucy Hillebrand
Hillebrand legt ihre Ansichten über Wege im städtischen Raum dar, die an den Bewegungsgesetzen des Menschen orientiert sind. Anschließend präsentieren Studenten Zeichnungen aus dem Transformationsseminar bei Born und diskutieren die Umsetzung ihrer eigenen Wege durch die Stadt.
26.11.1990
Thomas Born, Medienkünstler, Berlin
Weil Werbung öffentlich stattfindet, muss sie sich öffentlicher Kritik stellen.
Born betreibt eine Analyse der Zeichen, die in den Werbespots für eine medienreflexive Qualität stehen.
10.12.1990
Dr. Gerhard Schumm, Filmemacher und Psychologe, Berlin
Schumm unterscheidet anhand eines diskutierten Beispiels diverse Gestaltungen von Feinstschnitten in Bezug auf das jeweilige Folgebild, aber auch in Bezug auf das ganze Stück.
30.1.1992
Dr. Wulf Herzogenrath, Nationalgalerie Berlin
Das Werk von Campus, einem Klassiker der Videokunst, der vor allem durch seine medienreflektorischen closed-circuit-Installationen hervorgetreten ist, wird vorgestellt und diskutiert.
27.04.1992
Helmut Höge, Journalist, Berlin
Der Grenzbereich zwischen künstlerischer und journalistischer Tätigkeit wird beleuchtet.
26.04.1993
Frieder Butzmann, Musiker, Berlin
Thema des Vortrags ist der Inhalt von Sprache ohne Bedeutung. Butzmann rezitiert, skandiert, singt, verfremdet elektronisch.
10.05.1993
Reinhart Büttner, Maler und Objektkünstler
Seeheim-Jugenheim, Paris
En Passant, ein Referat / Salon-Experiment /
Missverständnis / Gespräch
06.12.1993
Olaf Langmack, Informatiker
Welche Freiräume bietet der Computer für den künstlerischen Entwurf? Anhand der Restauration eines Ideogramms als Computerprogramm wird diese Frage aus Sicht eines Informatikers untersucht. Dabei geht es nicht um perfekte Graphik oder verblüffende Animation, sondern um kernige Gebilde.
22.11.1993
Prof. Angela Zumpe, Fernsehdesignerin, Mainz
Mäuse werden mit Käse gefangen - Fernsehen und seine Selbstdarstellung am Beispiel der Designentwicklung bei n-tv und VOX.
09.05.1994
Prof. Dr. Wolfgang Ernst, Historiker, Berlin, Köln
oder Montage als Architektur: Sir John Soane´s Museum in London
07.11.1994
Barbara Sichtermann, freie Journalistin, Fernsehkritikerin
Vortrag mit Diskussion
06.06.1994
Thomas Kutschker, Fotograf und Student der AV-Medien, KHM Köln
Eine Videopräsentation.
24.04.1995
Jochen Lingnau, Medientheoretiker, Berlin
Hairdesign, Naildesign, Fooddesign, Modedesign, Designerdroge, Designmanager, Designberatung, etc..
Seit Beginn der 80er Jahre hat der Begriff Design inflationäre Verbreitung gefunden. Der Begriff Mediendesign passt nicht in diese Reihe modischer Bezeichnungen; hier kommt vielmehr die Notwendigkeit der Anwendung von Designprozessen auf den Gegenstand der Information zum Ausdruck.
26.06.1995
Prof. Dr. Friedrich Kittler
Institut für Ästhetik der Humboldt Universität, Berlin
Am Beispiel von bildender Kunst und Musik wird der Zusammenhang zwischen Kunst- und Mediengeschichte thematisiert. Neu für alle diejenigen, die die Antrittsvorlesung von Friedrich Kittler an der Humboldt-Universität verpasst haben.
Hermann Bohlen, Sinologe und Hörspielautor
23.10.1995
Seit Hermann Bohlen in einer chinesischen Ausgabe von ?Tim und Struppi? entdeckt hat, dass der Hund auf chinesisch wang-wang macht, lässt es ihn nicht mehr los: wieso macht er nicht überall wau-wau? Schließlich machen Hunde doch überall so ziemlich gleich, - zumindest man versteht sich untereinander, ein letzter Internationalismus, die internationale Sprache der Hunde: Hundsch. Diese Ansicht ist nicht zuletzt von Postboten bezweifelt worden. Der eine Hund macht so, der andere so. Im Vortrag geht es um Hundegebell, um Lautmalerei (Onomatopöie) und die älteste Frage in der Linguistik: welcher Art ist die Beziehung zwischen Wörtern und dem, was sie bezeichnen? (H.B.)
04.12.1995
Prof. Dr. Dietmar Kamper, Soziologe, Philosoph und Autor
Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin.
Als Ergebnis seines jahrzehntelangen forschenden Nachdenkens über Bild und Einbildungskraft hat der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan zwei Befunde festgehalten, die für Bildermacher interessant sein dürften:
1. Im Imaginären gibt es den Anderen nicht. Man begegnet immer nur sich selbst, ohne sich allerdings - da Bilder angstgebunden sind - auf Anhieb zu erkennen. Das Imaginäre ist zuletzt ein autistisches Projekt.
2. Im Imaginären hat man keine Zeit: keine Vergangenheit, keine Zukunft, keine Gegenwart, sondern gerät unter das Diktat des “Zweiten Futur“, einer Spielart des Todes. Das Imaginäre errichtet auf die Dauer ein Terrorregime der Zeitlosigkeit.
Diese Befunde werden einerseits nicht akzeptiert: man hofft, mittels der Bilder aus sich her- ausgehen und mittels der Bildmaschinen die Zeit in Regie nehmen zu können. Andererseits bieten die Befunde einem Denken, das sich des Anderen und der Zeit bedürftig weiß (und das ist der Hauptstrom des europäischen Denkens dieses Jahrhunderts), heftigen Widerstand.
18.12.1995
Oliver Schwarz, Medienkünstler, Berlin
Konvergenz, die Grenzenlosigkeit der Medien, weltweite Verfügbarkeit von Informationen in Lichtgeschwindigkeit, permanente Interaktion: Evolution, Chaos, Selbstorganisation.
Noch nie ähnelten die Theorien über unsere vernetzten Welten und ihre Körper so selbstverständlich der Praxis von Künstlern.
Oder stand die Kunst Modell?
22.04.1996
Iris Dressler, Kunsthistorikerin, Dortmund
Hans D. Christ, Künstler, Dortmund
Es handelt sich um das Preview eines umfangreich angelegten Ausstellungsprojektes, das im Künstlerhaus Dortmund entstanden ist und 1997 in der Deutschen Arbeitsschutzausstellung (DASA) in Dortmund gezeigt wird.
Zwischen naturwissenschaftlichen und künstlerischen Darstellungen des menschlichen Körpers lassen sich vielfältige Bezüge herstellen. Die entscheidende Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft hat dabei, so die These, mit dem Problem der Abbildbarkeit des Körpers zu tun, genauer: mit dem Problem, den Körper in Relation zu einem bestimmten (wissenschaftlichen oder ästhetischen) Interesse adäquat abbilden zu können.
Lösungskonzepte hierfür basierten von Anfang an auf einer Wechselwirkung von Kunst (Gestaltung) und Naturwissenschaften (Wissen), die an beiden Orten ihre Spuren hinterlassen hat. So sind z.B. bis heute wissenschaftliche Darstellungen des Körpers von ikonogra- phischen Elementen aus der Kunstgeschichte durchsetzt.
Für die Disziplinen Kunst und Naturwissenschaften gilt schließlich, daß ihr Wissen und ihre Vorstellungen vom Körper an die jeweils zur Verfügung stehenden Medien (von der Zeichnung bis hin zur Computertomographie) gebunden sind.
Es lässt sich feststellen, dass Kunst, Naturwissenschaften und Medien den Körper nicht nur abbilden, sondern ihn zugleich prägen - mit ihrem Wissen, ihren Bildern und ihrer Technik imprägnieren. Der Körper selbst kann, so eine weitere These, nur in seinem Verhältnis zu Bildern - allen voran dem Spiegelbild - wahrgenommen werden. Auf dieser Folie wird er zugleich entworfen.
06.05.1996
Bea Wölfling, Soziologin/Videofest Transmediale Berlin
Unter dem Begriff Computeranimation wird von digitaler Bildbearbeitung bis zur komplexen 3D-Simulation sehr Unterschiedliches zusammengefasst.
Als einer der einfallsreichsten französischen Computerkünstler gilt Bériou, dessen Arbeiten über technisches Experiment und Spielerei weit hinausgehen und eine künstlerische Handschrift erkennen lassen.
Gezeigt werden die in den 90er Jahren entstandenen Animationen Digitaline, Ex Memoriam, Tableau D´Amour und Limbes, die alle im Pariser Studio Agave S.A. mit einer dort entwickelten Software produziert wurden.
26.05.1997
Andreas Kraft, Mediendesigner/Metadesign, Berlin
„ . . Als Designer muss man mit einem offenen Raster arbeiten. Jeder der Beteiligten muß Änderungen vornehmen können; damit keine Ghost-Sites entstehen. Man braucht einfach eine dynamische Umgebung? (Max Kismann). ReadOnScreen zeigt grafische Entwürfe für eine dynamische Umgebung.
09.06.1997
Dipl.Ing. Michael Thierschmann, Gesellschaft für Luft- und Raumfahrttechnologie und Multimedia, Berlin
Anhand einiger Anwendungsbeispiele präsentiert die LuRaTech GmbH verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit der Bild- und Videodatenspeicherung und -übertragung in Netzwerken.
Ein Beispiel ist das digitale Video-Archiv-System zu Joseph Beuys, das gegenwärtig im Museum für Gegenwart/Hamburger Bahnhof in Berlin installiert ist.
Daneben werden die Software LuraWave, die Internet-Anwendung eines neuen Hochleistungs- Bilddatenkompressionsverfahrens und weitere Beispiele vorgestellt.