Unglaublich, was ihr in den 80ern gebracht habt, welch tolle Ansätze. ... bildo war schon wichtig und markierte ...
im damaligen Berlin einen der interessantesten Orte, das war wirklich weit voraus.
Pierangelo Maset, 2014
Das Konzept der bildo akademie beinhaltete folgende Ziele. Studierende sollten in einer Zeit zunehmender Anforderungen (1980er Jahre), die künftigen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen betreffend (Bildkultur), eine systematische und spezialisierte, aber zugleich auch flexible Basis für ihr berufliches Schaffen erhalten.
Künftige "Spezialisten für das Allgemeine" oder genauer "Medienkunst- und Mediendesignspezialisten für das Allgemeine" sollten sich an der bildo akademie für Kunst und Medien auf ihren Beruf vorbereiten können.
Ein kenntnisreiches und gelassenes Verhältnis zur Entwicklung des Digitalen sollte geprägt werden, weder Technik-Euphorie noch Technikfeindlichkeit waren bildo Positionen. Selbstreflexion und Reflexion der äußeren Zustände, auch bildhistorische Forschung und Bilddesign der Zukunft standen im Zentrum der gestalterischen Aufmerksamkeit.
Die Strukturen der technischen Bilder, Bromsilberkorn, Zeilenraster, Pixelmuster, Druckraster, machen offensichtlich, dass sie unter apparativen Bedingungen generiert werden. Im Resultat können sie ebenso als ähnliche Abbilder realer Gegebenheiten wie auch als Vorbilder oder Einbilder (Vilém Flusser) in Erscheinung treten, wobei die Linie Abbilder-Vorbilder-Einbilder dem Fluss der Konstruktionsgrade entsprechen mag. »Worauf es hier jedoch ankommt, ist der allen technischen Bildern gemeinsame Grundcharakter: näher betrachtet, erweisen sie sich allesamt als aus Punktelementen komputierte, eingebildete Flächen.« Flusser bezeichnet diese Punktelemente oder kleinsten Einheiten an anderer Stelle auch als Calculi (Bausteine) und weist damit auf die grundsätzliche Tätigkeit des Konstruierens technischer Bilder hin. »Design meint von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes her nicht Oberfläche, sondern Konstruiertheit« (Friedrich Kittler).
Der Baustein- oder Teilecharakter zieht sich durch alle Mikro- bis Makrostrukturen technischer Bilder hindurch, ganz gleich, ob die Bildinformationen Referenzen zu definierten Realitäten aufweisen, ob sie diese Referenzen kommentieren, verwandeln, oder ob sie auf diese Referenzen gänzlich verzichten. Das »Es ist so gewesen« der von Roland
Barthes noch dokumentarisch beschriebenen Fotografie spricht keineswegs gegen den konstruktiven Charakter des technischen Bildes. Im Gegenteil. Da es aber einfacher ist, einem technischen Bild zur Existenz zu verhelfen, »als es wieder zu dekonstruieren und in Frage zu stellen« (Felix Langhammer), war die bei bildo konzeptionell initiierte Spannung der Nuancen zwischen den Polen Konstruktion und Dekonstruktion als methodisches Vorgehen für Studierende und Lehrende ein einzigartiger Lernprozess. In diesem Zusammenhang ist der bildo Beitrag Medienkunst, Zerstückelung und Maßlosigkeit im Programm der ersten Europäischen Sommerakademie für Film und Medien in Berlin 1990 zu sehen. Und in diesem Zusammenhang sind auch zahlreiche Aufgabenbeispiele angesiedelt, die folgend präsentiert werden.
Unter Bildmaschinen verstehen wir jene apparativen Speichereinrichtungen, die auf analoge und digitale Weise stehende technische Bilder und Bewegtbilder codieren und decodieren. Diese Apparaturen geben die technischen Bedingungen, denen sie selbst unterliegen, an die technischen Bilder, ihre Produkte, weiter. Bedingungen wie
Zentralperspektive
Multiperspektivität
Lichtempfindlichkeit
Projektion
Reproduzierbarkeit (mit/ohne Verlust)
Maßstabsfreiheit
Fragmentierung
Mobilität
Reversibilität
Codierung
Virtualität
zunehmende Referenzlosigkeit
sind den Bildresultaten immanent, die unter bildmaschinellen Voraussetzungen generiert und konstruiert werden, insbesondere im Journalismus ein aktuelles Problem. Diese medialen Eigengesetzlichkeiten gelten gleichermaßen für analoge wie digitale Produktionstechniken und Technologien. Ein unter diesen Bildproduktionsbedingungen bewusstes Schaffen bezeichnen wir als medienreflexiv.
Die Bildbeispiele, die dieses Archiv präsentiert, sind von der Fähigkeit zur Medienreflexion geprägt, die aus der sog. experimentellen Kunst, und hier insbesondere aus der experimentellen Fotografie der 60er bis 80er Jahre hervorgegangen ist. Diese junge künstlerische Tradition weist aus unserer Sicht zahlreiche Überschneidungen mit der Konzeptkunst, der sog. inszenierten Fotografie und der Film- und Videokunst auf. Um nur einige wenige Namen zu nennen: Peter Campus, Floris M. Neusüss, Renate Heyne, John Hilliard, Barbara und Michael Leisgen, Jeff Wall, Christian Boltanski, Alexander Kluge, Richard Kriesche, Annette Messager, Chantal Akerman, Jean Luc Godard, Bill Viola, Astrid Klein und viele andere präg(t)en auf jeweils individuelle Weise jene Bildmedienkünste, die trotz des scheinbar dokumentarischen Charakters technischer Bilder diese Eigenheit nutzten, um insbesondere auch deren konstruktive Gesetzmäßigkeiten zu erforschen und zu akzentuieren. Eine wirkliche Grenze zwischen stehenden Bildern und Bewegtbildern existiert in diesem Kontext nach unserer Anschauung nicht, sind doch die Bewegtbilder nichts anderes als rhythmisierte Verdichtungen stehender Bilder; auch wenn die verschiedenen Künstlerpersönlichkeiten eher die stehenden oder eher die bewegten technischen Bilder ins Zentrum ihrer individuellen Betrachtung und Produktion stell(t)en. Born/Heine haben im Rahmen eines Workshops während der Documenta 7 in Kassel zum Thema Politisch engagierte Kunst mit der künstlerischen Arbeit Document Documenta Documentation einen viel diskutierten Beitrag zur Medienreflexion geleistet. Bereits der Titel verweist auf die transdisziplinären Verflechtungen zwischen Kunst, Journalismus und Politik im Kontext des Medialen und verbindet so den Gedanken der Eigengesetzlichkeit mit dem Erleben aktueller Realitäten. Was in der genannten Zeit an deutschen Schulen und Hochschulen im Bereich der technischen Bilder gelehrt und gelernt wurde, entsprach lediglich in raren Ausnahmen den hier beschriebenen Einsichten und Erfahrungen. Eine die medialen Eigenheiten systematisierende Erfahrungslehre lag also zur Zeit der Gründung der bildo akademie ab Mitte der 80er Jahre gewissermaßen in der Luft, stand unmittelbar bevor, überall dort, wo künstlerisch-konstruktiv und medienreflexiv gedacht wurde. Wir kristallisierten ein entsprechendes Erfahrungssystem auf der Basis des Künstlerischen heraus, das zeitlich mit dem Übergang der analogen in digitale Techniken zusammenfiel und diese Neuerung als Herausforderung annahm und konzeptionell integrierte. Gegenwärtig können wir feststellen, dass das Wissen von den bildmedialen Eigenheiten innerhalb eines Jahrzehnts in vielen avancierten Bildproduktionen, in aktuellen Werbekampagnen, im Fernsehen sowie in neu gegründeten Studiengängen und Ausbildungsprogrammen zumindest in der Anwendung, als Praxis, vielerorts thematisiert wird und Einzug gehalten hat. Die Studierenden der bildo akademie hatten das Glück, dieser Entwicklung sehr früh zu begegnen und Sie mit uns gemeinsam forschend zu verstehen.